Bericht zur ITTF Parkinson Tischtennis Weltmeisterschaft 2021

Von Hilmar Heinrichmeyer


Nun sind es doch zwei Jahre geworden, bis die 2. Weltmeisterschaft der ITTF-Foundation für Parkinson-Erkrankte stattfinden konnte. Eigentlich sollte die Nachfolgeveranstaltung des Auftakts 2019 in Pleasantville (USA) schon im Herbst 2020 in Berlin über die Bühne gehen, doch da hat Corona nicht mitgespielt.
Den Bärenanteil von acht der 14 ausgespielten Titel holten sich die deutschen Starter, nachdem es vor zwei Jahren noch zwei von sechs Titelnwaren. Als einziger verteidigte Thorsten Boomhuis seinen vor zwei Jahren errungenen Titel.

Das Horst-Korber-Sportzentrum bei der feierlichen Eröffnung am Mittwoch mit den Teilnehmern im weißen PWTTC-Trikot auf der Tribüne. In der Mitte der Halle die 14 Wettkampftische mit den zwei Center-Courts, hinten die zwei Reihen mit Trainingstischen.

Die ITTF-Foundation als eine Stiftung der ITTF mit Sitz in Leipzig, die als eines von mehreren Programmen auch „TT 4 Health“ – also „Tischtennis für die Gesundheit“ – in ihrem Programm hat, hatte großen Mut gezeigt, als sie mit der Durchführung der „2021 ITTF Parkinson’s World Table Tennis Championships“ die Berliner YUVEDO-Stiftung beauftragt hatte, die zuvor nicht als Durchführer von Tischtennis-Turnieren in Erscheinung getreten war. Dennoch meisterten die Berliner dank der Unterstützung der ITTF-Foundation, des DTTB und den Schiedsrichtern aus Berlin und Thüringen ihre Aufgabe überraschend gut. Mit dem Horst-Korber-Sportzentrum
stand eine Austragungsstätte zur Verfügung, die für die Veranstaltung nahezu ideale Bedingungen bot.

Einige Zahlen machen deutlich, was sich im Tischtennissport der Parkinson-Erkrankten zwischen 2019 und 2021 alles getan hat: Aus vier Einzel- und zwei Doppelklassen über
zwei Gewinnsätze bei der WM 2019 sind sechs Einzel-, fünf Doppel- und drei Mixedkonkurrenzen über drei Gewinnsätze geworden. Aus zwei Tagen wurden drei, aus acht Tischen wurden 14 (und 12 Tische nur für das Training), und aus 61 Startern (49 Herren, 12 Damen) wurden 130 (91 Herren, 39 Damen). In einer Hinsicht allerdings war keine Steigerung zu verzeichnen – bei der Internationalität. Aus 20 wurden 21 teilnehmende ITTF-Verbände, und aus drei Erdteilen in Pleasantville wurden zwei in Berlin. 122 der 130 Starter kamen aus Europa, sechs aus den USA und zwei
aus Südamerika. Vereinzelte Asiaten hatten sich zwar angemeldet, dann aber auf ihren Start verzichtet. Die Ursache ist klar: Die Corona-Pandemie hat viele Interessenten aus weit entfernten Ländern von einem Start abgehalten.
Und auch eines muss berücksichtigt werden: Eine nennenswerte Teilnehmerwerbung wurde für diese WM nicht  betrieben. Die verständliche Ursache liegt in der lange Zeit herrschenden Unklarheit, ob und unter welchen  Bedingungen das Turnier überhaupt stattfinden kann. Zwischenzeitlich entstand der Eindruck, den Berliner Organisatoren würden allzu viele Teilnehmer gar nicht ins Konzept passen, denn je weniger es würden, desto weniger Auflagen würde es wahrscheinlich von den lokalen Behörden geben. Von den zwischenzeitlich im Gespräch gewesenen Limitierungen auf vier Starter pro Land und maximal so viel Herren wie Damen war erfreulicherweise am Ende nicht mehr die Rede.

Im sportlichen Teil war auffällig, dass alle deutschen Medaillengewinner von Berlin – und auch mehrere der ausländischen – eine Woche zuvor für die PingPongParkinson German Open in Nordhorn gemeldet hatten. Offensichtlich war die dort gemachte Turniererfahrung für viele der noch nicht so lange Tischtennis spielenden PmP (Personen mit Parkinson) eine gute Vorbereitung auf die WM – wie es ja auch gedacht war. Die große Überraschung bei den Herren 1, der Klasse für die Spieler mit den geringsten Beeinträchtigungen durch ihre Erkrankung und der größten Tischtennis-Erfahrung, war sicher nicht der dreifache Titelgewinn von Thorsten Flues (DJK BW Avenwedde).
Zu souverän zog der Spieler aus Gütersloh in Berlin seine Kreise, und wie in Nordhorn gewann er auch im Doppel und Mixed an der Seite von Thorsten Boomhuis und Silke Kind (KSV Niesig) die Weltmeistertitel. Die Überraschung war sein Endspielgegner, denn nur die wenigsten dürften Norbert Hase aus dem friesischen Varel dort erwartet haben. Der nahm dem hohen Favoriten sogar einen Satz ab, was zuvor nur Ilya
Rozenblat (USA) im Viertelfinale geschafft hatte. Pech für den vielleicht besten Teilnehmer der letzten WM, dass er bereits so früh auf Flues traf.

Thorsten Boomhuis, der in Berlin als einziger seinen WM-Titel aus Pleasantville verteidigen konnte, beim Rückschlag im Herren 1-Doppelfinale an der Seite des dreifachen Turniersiegers Thorsten Flues

Wie in Pleasantville stand Rozenblat auch in Berlin im Doppelfinale, diesmal an der Seite von Hamid Ezzat-Ahmadi (USA), wie er selbst einer der drei Einzel-Titelträger von 2019. Doch Boomhuis/Flues gewannen mit 11:6,
11:8 und 11:8 relativ klar. Der dritte Einzelsieger von 2019 war Holger
Teppe (TuS 1885 Helsen), der dort mit dem Doppelsieg zusammen mit Boomhuis noch der erfolgreichste Spieler war. Diesmal reichte es für ihn in allen drei Konkurrenzen allerdings nur zu dritten Plätzen, wozu auch sein überraschendes 0:3-Halbfinal-Aus gegen Norbert Hase beitrug.

Seinen Weltmeistertitel holte sich Norbert Hase dann im Mixed der Klasse 2 an der Seite der Nordhornerin Heike Schroven, die erst seit eineinhalb Jahren Tischtennis spielt, aber durch ihren Trainingsfleiß gute Fortschritte gemacht hat. Im Finale waren Margie Alley/Jens Greve (USA/Berlin) die Unterlegenen, und die zuvor amtierende Weltmeisterin aus und von Pleasantville verlor auch das Damen 1-Einzelfinale gegen Jan Fuller aus England, die zuvor wohl nur ihre Landsleute auf dem Schirm hatten.

Nach dem Damen-Doppel 2-Finale stellen sich die neuen Weltmeisterinnen Heike Schroven und Petra Scheurig mit den schwedischen Zweitplatzierten Marita Juhlin und Lin Zhang-Freund zum Gruppenfoto (v. l. n. r.)

Die Engländerin sorgte im Einzel-Halbfinale auch für die einzige Niederlage von Silke Kind aus Hessen, die neben dem Mixedtitel auch das Damen 1-Doppel gewonnen hatte, und zwar an der Seite von Marita Siegel (TSV Phönix Lomersheim).
Heike Schroven wiederum gewann nicht nur das Mixed, sondern zusammen mit Petra Scheurig (Leimen) auch das Damen 2-Doppel gegen die beiden Schwedinnen Marita
Juhlin/Lin Zhang-Freund. Petra Scheurig wurde ebenfalls zweifache Weltmeisterin, da sie sich im Mixed 3 an der Seite des Niedersachsen Lars Rokitta gegen die Schweden Gun Nilsson/Jan Norlindh in drei Sätzen klar durchsetzte. Damit fielen in Berlin alle drei MixedTitel und beide Damen-Doppel-Titel an die deutschen Starter.

Für den insgesamt achten deutschen Weltmeistertitel sorgte Brigitte Plehn (TTF Rhenania Königshof) im Damen 2-Einzel. Die Krefelderin, die auch im Einzel gerne in der stärksten Klasse angetreten wäre, was ihr aber von der Turnierleitung verwehrt wurde, holte sich durch den zweiten Platz im Damen 1-Doppel und den dritten Platz im
Mixed 1 letztlich einen kompletten Medaillensatz in Berlin ab.

Die restlichen Weltmeistertitel fielen in Berlin an den Slowenen Borut Volk (Herren 2-Einzel), den Schweden Jörgen Sjöstedt (Herren 3-Einzel), die Österreicherin Negin Schaller (Damen 3-Einzel) und die Schweden Stefan Kling/Janne Norlindh (Herren 3-Doppel). Und dann war da noch Nenad Bach. Der amerikanische Sänger mit kroatischen Wurzeln wurde nicht nur bei der Eröffnungsfeier von der ITTF-Foundation für seine Initiative geehrt, die zur Etablierung dieser Parkinson-Weltmeisterschaft geführt hatte, sondern gewann auch noch am Tisch eine Goldmedaille. Zusammen mit dem für England startenden George Chan siegte er im Herren 2-Doppelfinale hauchdünn in fünf Sätzen.

Die deutsche PingPongParkinson-Mannschaft hatte am Finaltag in Berlin oft Grund zum Jubeln. Hier feiern sie gerade einen der acht deutschen Weltmeistertitel

Der Start der allermeisten deutschen Teilnehmer bei dieser WM wurde von PingPongParkinson Deutschland e. V. mit den 1. und 2. Vorsitzenden Thorsten Boomhuis und Harry Wissler organisiert. Die deutschlandweite Selbsthilfe-organisation hatte für ihre Mitglieder im nahegelegenen Spandau das SensCity als gemeinsames Teamhotel gebucht. Gerade auch das abendliche Zusammensein auf der Terrasse des Hotels trug sehr zum guten Teamgeist der deutschen Mannschaft bei. Sehr hilfreich war auch der mannschaftsinterne ShuttleService für die Fahrten vom Hotel zur Halle und zurück, für den Holger Duhn von der PingPongParkinson-Gruppe Nordhorn verantwortlich zeichnete. Wie schon in Pleasantville standen Frank Plangemann und Hilmar Heinrichmeyer (beide SV Vorwärts Nordhorn) für das Coaching der deutschen PPP-Starter zur Verfügung, diesmal noch verstärkt durch ihren Vereinskollegen Fabian Veldboer, was von etlichen deutschen Spielern dankbar angenommen wurde. Der Organisationsgrad der deutschen Mannschaft, die mit insgesamt 35 Startern die größte war, übertrag damit den der anderen Länder bei weitem,

Auf zweistellige Teilnehmerzahlen kamen in Berlin ansonsten noch die Schweden (16) und die Dänen (12). In Dänemark ist es mittlerweile der Nationalverband, der sich sehr intensiv um die Parkinson-Tischtennis-Spieler kümmert, wie die dortige PPP-Landesleiterin Elisabeth Ildal lobend erwähnte, während fast überall anders entweder die nationalen
PingPongParkinson-Gruppen oder die Spieler selbst aktiv geworden sind.

Siegerehrung im Mixed 3. Ganz oben auf dem Podest die Weltmeister Lars Rokitta
(Eystrup) und Petra Scheurig (Leimen). Die Preise hatte ITTF-Foundation-Direktor Leandro Olvech (links) überreicht

Für die Teilnehmer bleibt Berlin in sehr guter Erinnerung. Dazu trug auch die teilweise sehr emotionale Eröffnungsfeier am Mittwochnachmittag im Beisein von ITTF-Präsident Thomas Weikert bei, die allerdings mit zweieinhalb Stunden zu lange Siegerehrung am Samstagnachmittag, bei der für alle 14 Weltmeister die Nationalhymne gespielt wurde, und
die Abschlussveranstaltung am Samstagabend, die in sehr schönem Rahmen im Harnack-Haus ausgetragen wurde. Die Berliner YUVEDO-Stiftung mit Jens Greve an der Spitze hat eine gelungene zweite Weltmeisterschaft auf die Beine gestellt und dafür ein großes Lob verdient.

Für die wenigen negativen Aspekte waren andere verantwortlich. So lobenswert die Initiative und finanzielle Unterstützung der ITTF-Foundation für diese Weltmeisterschaft auch ist, so nachteilig war es für die Betroffenen, dass man mit dem Spanier Pablo Perez
einen Turnierdirektor installiert hatte, der ganz offensichtlich mit den Interessen der von Parkinson betroffenen Tischtennisspieler ohne große Wettkampferfahrung nicht umgehen konnte. Der Mann hat seine Erfahrungen und Verdienste im Para-Tischtennis erworben, was mittlerweile in vielen Aspekten Hochleistungssport bedeutet – mit paralympischen Spielen und großer Abhängigkeit der dortigen Ergebnisse für die nationalen Sportförderungen.

Eine Tischtennis-Parkinson-Weltmeisterschaft hat aber mit Hochleistungssport nichts gemeinsam – das ist Gesundheitssport, für den ganz andere Dinge wichtig sind. Und so kamen einige Aspekte, die die ITTF-Foundation von den sonstigen Weltmeisterschaften auch auf diese übertragen wollte, bei den Aktiven überhaupt nicht gut an. Da wäre die ausgebliebene Zusammenführung von Spielern zu nennen, die für das Doppel und Mixed keinen Partner hatten und die keine Erfahrung damit haben, wie so etwas organisiert wird. Eine bei jedem Wald-und-Wiesen-Turnier selbstverständliche Zusammenführung von Einzelmeldungen gibt es bei Weltmeisterschaften nicht, und deshalb sind etliche Spieler nur im Einzel gestartet, obwohl sie zumindest auch gerne Doppel gespielt hätten.

Ein anderer Aspekt: Die PmP müssen ihre Medikamentation auf die Spielzeiten ausrichten. Da ist eine Call Area, wo man sich teilweise lange vor den Spielen schon einfinden muss, ein absolutes No-Go. Schon im Vorfeld war zu hören, dass die Trostrunde dem Turnierdirektor ein Dorn im Auge sei. Da kam es offensichtlich sehr gelegen, dass am Nachmittag und Abend des vorletzten Turniertages insgesamt dreimal ein – letztlich unbegründeter – Feueralarm stattfand, bei dem das gesamte Horst-Korber-Sportzentrum dreimal evakuiert werden musste. Infolgedessen wurde der Spielbetrieb dieses Tages dann nach dem dritten Alarm und der nicht gefundenen Ursache auch eingestellt, und dem fielen dann auf Beschluss der Turnierleitung die letzten Trostrunden-Durchgänge in allen acht Doppel- und Mixed-Konkurrenzen zum Opfer. Ein flexibler Turnierleiter hätte diese Spiele mit Leichtigkeit am nächsten Tag noch
untergebracht. So aber blieben viele der schwächeren Teilnehmer ohne den für sie so wichtigen krönenden Abschluss dieser Konkurrenzen – sicherlich das größte Manko dieser zweiten Parkinson-Weltmeisterschaft!

Die dritte Weltmeisterschaft soll bereits im kommenden Jahr stattfinden, wenn Corona das zulässt. Im Gespräch ist dafür Kroatien, wo derzeit wohl die Suche nach einem Austragungsort läuft. Nach den Erfahrungen von 2019 und 2021 ist es nicht ausgeschlossen, dass dann bis zu 400 Spieler Interesse zeigen, sofern eine intensive Werbung für das  Turnier gemacht wird und eine solche Teilnehmerzahl verkraftet werden kann. In jedem Fall hat die Berliner Durchführung der PWTTC die Latte für zukünftige Ausrichter sehr hoch gelegt. (Hilmar Heinrichmeyer)


Dieser Bericht ist auch in unserem Jahresbericht 2021 zu finden. Quelle aller verwendeten Fotos die auch in unserer Bilder-Galerie zu finden sind: www.pwttc.de