Gelungene Premiere für die PingPongParkinson German Open

Von Hilmar Heinrichmeyer


Blick in das Nordhorner EUREGIUM vor Beginn des ersten Wettkampftages.

Im dritten Anlauf hat es endlich geklappt: Die erste Ausgabe der PingPongParkinson German Open hat am Wochenende vom 3. bis 5. September 2021 endlich im Nordhorner EUREGIUM über die Bühne gehen können. Vorausgegangen waren 21 Monate voll permanenter Ungewissheit und immer wieder neuer Planänderungen für Cheforganisator Thorsten Boomhuis, weil Corona weder im April 2020 noch im Mai 2021 eine Durchführung zugelassen hatte. Aber es hat sich gelohnt: 87 Teilnehmer
aus den USA, Brasilien, Deutschland und neun anderen europäischen Ländern, die allesamt die Teilnahmevoraussetzung einer Parkinson-Erkrankung erfüllten, waren sehr zufrieden mit diesem Turnier „nur für sie“.

Direkt nach der ersten Parkinson-Weltmeisterschaft im Oktober 2019 in Pleasantville bei New York, bei der Thorsten Boomhuis vom SV Vorwärts Nordhorn den Titel im Doppel und die Vizeweltmeisterschaft im Einzel gewonnen hatte, stand für ihn fest, dass er dem Beispiel der Amerikaner folgen wollte und eine Deutschland-Filiale von PingPong Parkinson auf die  Beine stellen wollte. Am 2.2.2020 wurde dann „PingPongParkinson Deutschland e. V.“ in
Nordhorn offiziell gegründet, und als eine der ersten öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen sollten dann im April 2020 die ersten PPP German Open in Nordhorn stattfinden. Jörg Roßkopf hatte schon als Schirmherr zugesagt, doch es gingen anderthalb Jahre mit Corona ins Land, bevor am Morgen des 4. September 2021 das Turnier wirklich vom Nordhorner Bürgermeister Thomas Berling eröffnet werden konnte. Dabei hatten ursprünglich an diesem Wochenende die 1. Danish Parkinson Open stattfinden sollen. Doch die dänische Organisatorin Elisabeth Ildal hatte den Termin den Deutschen überlassen, für die die zeitliche Nähe zur 2. Parkinson-Weltmeisterschaft eine Woche später in Berlin wie
gerufen kam. Denn so ergab es sich, dass die beiden amtierenden Weltmeister Margie Alley und Hamid Ezzat-Ahmadi aus den USA gemeinsam mit dem PPP-Gründer Nenad Bach, einem US-Musiker mit kroatischen Wurzeln, ihren Start bei der WM in Berlin mit der Teilnahme an den PPP German Open in Nordhorn verbinden konnten.

Da neben Thorsten Boomhuis auch sein 2019-WM-Doppelpartner und damaliger Einzelsieger Holger Teppe aus Hessen an den Start ging, waren in Nordhorn also drei der vier amtierenden Einzel-Weltmeister vertreten. Dass keiner von diesen am Ende in Nordhorn einen Einzeltitel holen konnte, zeigt eindrucksvoll, wie sich die Tischtennis-Parkinson-Bewegung in den vergangenen zwei Jahren an der Spitze weiterentwickelt hat. Neben den drei US-Amerikanern gingen in Nordhorn fünf Schweden, drei Tschechen, drei Dänen, zwei Engländer, ein Waliser, ein Portugiese, ein Slowene, ein Schweizer, ein Brasilianer, ein Portugiese, eine Niederländerin und 65 Deutsche an den Start. Die meisten waren schon am Freitag angereist und konnten somit nicht nur am nachmittäglichen Parkinson-Informationsprogramm teilnehmen, das Thorsten Boomhuis in der Nordhorner „Alten Weberei“ auf die Beine gestellt hatte, sondern waren auch am Abend an gleicher Stelle bei der Eröffnungsfeier dabei, die von Live-Musik von „Les Amis“ und einem gemeinsamen Abendessen begleitet wurde. Einer der Höhepunkte des Abends war ein Flash-Mob zur Tischtennis-Hymne von Nenad Bach „I love ping pong“, mit dem eine Nordhorner Jugendgruppe nicht nur den anwesenden Komponisten überraschte.

Tischtennis gespielt wurde dann ab Samstagvormittag an zunächst 22 Tischen imNordhorner EUREGIUM, in dem somit erstmals seit dem 31. Mai 2009 wieder eine Tischtennisveranstaltung stattfand. Irgendwie war es ein Déjà-vu-Erlebnis für die beiden
Nordhorner Turnierleiter Dieter Benen und Hilmar Heinrichmeyer, die bis zum besagten Pfingstsonntag 2009 (auch) in dieser Halle jahrzehntelang das Nordhorner Euregio-Turnier an bis zum 84 Tischen geleitet hatten. Die Herren trugen in ihren drei Klassen in insgesamt 16 Gruppen, die Damen in zwei Klassen in zusammen sechs Gruppen zunächst ihre Vorrundenspiele aus, bevor nach einer Mittagspause dann in den beiden Mixed-Konkurrenzen die Achtel- und Viertelfinalspiele ausgetragen wurden. Der Rest des ersten Turniertages war dann den Einzelspielen in der Hauptrunde und der Trostrunde vorbehalten, so dass auch die in der Vorrunde nicht so erfolgreichen Starter noch weitere Spielgelegenheiten hatten. Im Vorfeld war es für die Nordhorner Organisatoren gar nicht so einfach, eine gerechte Einteilung der Spieler in die drei Herren- und zwei Damen-Konkurrenzen zu finden. Viele der Teilnehmer trainieren zwar in ihrem lokalen PingPongParkinson-Stützpunkt, hatten aber bislang noch nicht an Turnieren oder Punktspielen teilgenommen. Insofern konnte hier nur ganz vereinzelt auf die TTR-Werte zurückgegriffen werden.

In Absprache mit den Berliner Organisatoren der Parkinson-WM wurde ein Klassifikationsschema entwickelt, in dem
neben der Dauer der Parkinson-Erkrankung auch berücksichtigt wurde, ob die Spieler vor oder nach ihrer Erkrankung mit dem TT-Sport begonnen haben. Für letztere verläuft die Zunahme ihrer TT-Spielstärke deutlich langsamer als für die ersteren, die ihre größten Fortschritte noch als Gesunde gemacht haben. Die Dauer der TT-Ausübung wurde bei der Klassifikation ebenso berücksichtigt wie das Lebensalter sowie die Einteilung in Wettkampfspieler, Hobbyspieler in einer Trainingsgruppe, Hobbyspieler zu Hause oder absolute Anfänger. Auch solche gingen bei der PPP German Open an den Start, und das war auch die erklärte Absicht des Turniers: Es ging hier zwar auch um das Gewinnen, doch für die meisten sollte das Kennenlernen anderer Betroffener und der Austausch untereinander der Hauptzweck der drei  Nordhorner Tage sein.

Das galt insbesondere für die Starterinnen der Damen 2-Klasse, in der mehrere TT-Anfängerinnen ihr erstes Turnier spielten. Im Viertelfinale setzten sich die vier Gruppensiegerinnen durch, von denen im Halbfinale dann Zdislava Freund (Tschechien) gegen Marie Kolbinger (Sielenbach/Augsburg) und Heike Schroven (Vorwärts Nordhorn) gegen Lin Zhang-Freund (Schweden) sich für das Endspiel qualifizierten. Hier dominierte die Lokalmatadorin bei ihrem ersten TT-Turnier dann klar in drei Sätzen. Noch deutlicher war das Trostrundenfinale, wo Margarete Gursch (Herten) gegen Silvia Buth (Berlin) gewann. Deutlich mehr Tischtennis-Erfahrung brachten die acht Starterinnen bei den Damen 1 mit. Weltmeisterin Margie Allie (Pleasantville/USA) hatte genau wie Marita Siegel (TSV Phönix Lomersheim) alle drei Gruppenspiele gewonnen, doch im Halbfinale unterlag sie gegen Silke Kind (KSV 1948 Niesig) ebenso mit 1:3 wie Marita Siegel der anderen Gruppenzweiten Brigitte Plehn (TTF Rhenania Königshof). Im Finale setzte sich die Hessin Kind dann gegen die Krefelderin Plehn durch, während Liz Houghton aus England das Trostrundenfinale gegen Jutta Ahmerkamp-Böhme (Dauborn/Hessen) gewann.

Nach der Siegerehrung im Herren 2-Einzel jubeln die Platzierten ins Publikum. Michael Rücker (Zweiter), Jesper Jerslund (Sieger) und die beiden Dritten Jürgen Brandenstein und Andreas Moroff (v. l. n. r.)


Bei den Herren 3 hatten sich drei Skandinavier und Maik Gühmann (TTG Hamburg-Nord) für das Halbfinale qualifiziert. Im rein schwedischen Spiel setzte sich Erik Astrand gegen Janne Norlindh hauchdünn durch, während Gühmann gegen den Dänen Kim Plum-Hansen relativ wenig Widerstand zu brechen hatte. Das Finale war dann eine klare Angelegenheit
für Erik Astrand. Das vereinsinterne Trostrundenfinale gewann Christoph
de Martin gegen Jörg Ziaja (beide DJK Ewaldi Aplerbeck) deutlich.
Auch bei den Herren 2 kam der Sieger aus Skandinavien. Jesper Jerslund
aus Dänemark, einer von insgesamt 16 WM-Teilnehmern von 2019, die in Nordhorn an den Start gingen, gab in seinen sechs Einzel-Spielen nur
einen einzigen Satz ab, und zwar im Halbfinale gegen Jürgen Brandenstein (Herten). Im anderen Halbfinale hatte sich Michael Rücker (Herborn) gegen Andreas Moroff (Berlin) ebenfalls mit 3:1 durchgesetzt, konnte allerdings im Finale gegen den sympathischen Dänen nichts ausrichten. Das Trostrundenfinale gewann mit Andreas Arndt (TS Einfeld  Neumünster) einer der fünf deutschen WM-Teilnehmer von 2019, die geschlossen nicht nur in Nordhorn, sondern auch eine Woche später in Berlin antraten, hauchdünn gegen Wolfgang Hoelscher-Obermaier aus Berlin.  

Mit 23 Startern in sechs Vorrundengruppen war die spielstärkste Klasse Herren 1 auch zahlenmäßig am stärksten besetzt. Die beiden Einzel-Weltmeister von 2019, Holger Teppe (TuS 1885 Helsen/damals Herren 3) und Hamid Ezzat-Ahmadi (USA/damals Herren 1) gewannen ihre Gruppen souverän, wobei der Amerikaner Thorsten Boomhuis nur den
ersten Satz überließ. Ohne Satzverlust setzten sich in den anderen Gruppen Thorsten Flues (DJK Blau-Weiß Avenwedde) und Norbert Hase (Vareler TB) und Heiko Probst (TSV Pattensen) durch. Am knappsten war es bei Torgny Svedberg (Schweden), der bei seinem Vorrundengruppensieg denkbar knapp gegen Damasio Caeiro (Portugal) gewann, der sich
dann auch prompt später in der Trostrunde gegen den Waliser Martyn Symons durchsetzte. Eine klare Drei-Satz-Angelegenheit waren dann alle vier Viertelfinals, in denen mit Thorsten Boomhuis (gegen Flues) und Heiko Probst (gegen Teppe) zwei der drei Niedersachsen die Segel streichen mussten. Norbert Hase ging es dann im Halbfinale ähnlich wie zuvor Boomhuis – gegen den mit 1709 TTR-Punkten hohen Favoriten Flues, der bis 2018 im WTTV lange Jahre Bezirksliga gespielt hatte, war er chancenlos. Das andere Halbfinale war dagegen hartumkämpft. Hamid Ezzat-Ahmadi vom Tulsa TTC in der Mitte der USA lieferte sich im Weltmeister-Duell mit Holger Teppe einen harten Kampf, den er schließlich mit 11:6 im Entscheidungssatz gewann. Das war es dann aber auch mit knappen Spielen für ihn – im
Finale zeigte Thorsten Flues beim 7, 2, 4 kein Mitleid. Der Gütersloher hatte sich damit in der Königsklasse ohne Satzverlust als erster in die Siegerliste der PPP German Open eingetragen – und gleichzeitig die Favoritenrolle für die Parkinson-WM übernommen.

Der Samstagabend war dann den zahlreichen Helfern gewidmet, deren Helfer-Party in der Kellerbar des EUREGIUMs stattfand und aus Platzgründen nicht, wie zunächst geplant, in der Geschäftsstelle von PingPongParkinson in der Nordhorner Barbarastraße. Bei ausreichend Platz freuten sich die Helfer, dass sich auch einige der ebenfalls eingeladenen Teilnehmer eingefunden hatten – zumindest anfangs, denn die meisten hatten nach bis zu acht Spielen durchaus Sehnsucht nach Schlaf! Die Bewirtung lag in fachkundigen Händen: Das Kantinenteam des Nordhorner Handball-Zweitligisten HSG hatte es sich nicht nehmen lassen, in ihrer Heimspielstätte die Tischtennisspieler zu bewirten.

Nach dem Mixed 2-Finale stellen sich die Zweitplatzierten Nenad Bach und Heike Schroven mit den Siegern Margarete Gursch und Jürgen Brandenstein zum Gruppenfoto (v. l. n. r.)

Am Sonntagmorgen wurden dann zunächst die Doppel-Vorrundengruppen – acht in den drei Herrenklassen, drei in der Damenklasse – ausgespielt. Auch hier ging es danach mit Haupt- und Trostrunde weiter, wobei zuvor noch die Mixed-Halbfinalspiele ausgetragen wurden. Den Reigen der Endspiele eröffneten am Sonntagnachmittag dann die Mixed. Dabei hatte sich im Mixed der Klasse 2 mit Nenad Bach der Gründer der PingPongParkinson-Bewegung an der Seite der Nordhornerin Heike Schroven bis ins Finale vorgespielt, das dann aber knapp in drei Sätzen gegen Margarete Gursch/Jürgen Brandenstein (Trimm-Club Herten) verloren ging. Die dritten Plätze gingen hier an Paare aus Schweden und Tschechien. 

Vier glückliche Spielerinnen nach dem Finale im Damen-Doppel: Brigitte Plehn, Silke Kind, Jutta Ahmerkamp-Böhme und Marita Siegel (v. l. n. r.).

Im Mixed 1 hatten sich die beiden Briten Liz Houghton/Martyn Symons (Bedford/Sheffield) im Halbfinale in fünf Sätzen gegen Gisela Pazyna/Heiko Probst (Hamburg/Pattensen) durchgesetzt, während gleichzeitig die beiden Einzelsieger Silke Kind/Thorsten Flues mit Marita Siegel/Thorsten Boomhuis leichtes Spiel hatten. Auch das Finale war eine klare Angelegenheit für Kind/Flues, die Houghton/Symons keinen Satz überließen. Den sportlichen Abschluss der ersten PPP German Open bildeten dann die Endspiele in den vier Doppel-Konkurrenzen. Bei den Damen ließen Jutta Ahmerkamp-Böhme/Brigitte Plehn die Einzel- und Mixed-Siegerin Silke Kind nie in die Nähe eines Dreifach-Triumphes kommen, die an der Seite von Marita Siegel im Doppel-Finale letztlich chancenlos war.

Hart umkämpft war dagegen das rein schwedische Finale bei den Herren 3. Torgny Svedberg/Erik Astrand brauchten alle fünf Sätze, bevor ihr Sieg im letzten Spiel des Tages gegen Janne Norlindh/Stefan Kling feststand. Genauso spannend war es bei den Herren 2. Hier setzte sich die brasilianisch/slowenische Kombination Roberto Morand/Vinko Kurent (Rio de Janeiro/Maribor) mit 11:9 im Entscheidungssatz gegen Heiko Rauchmaul/Heiko Probst (Leipzig/Pattensen) durch.

Die Sieger im Herren 2-Doppel nach einem Spiel. Links Roberto Morand aus Rio de Janeiro, der die weiteste Anreise nach Nordhorn hatte, und rechts Vinko Kurent, der Leiter von PingPongParkinson Slowenien.

Im Doppel-Finale der Herren 1 standen sich die beiden amtierenden Doppelweltmeister von 2019 direkt gegenüber. Während Holger Teppe jetzt an der Seite von Horst-Werner Klöckner (TTC Münster) startete, hatte Thorsten Boomhuis sich mit Thorsten Flues zusammengetan. Im Halbfinale hatten letztere die beiden Briten Martyn Simons/David Cassy 3:0 besiegt, während Teppe/Klöckner gegen Ezzat-Ahmady/Jerslund beim 3:1 deutlich mehr zu kämpfen hatten. Auch das Finale ging über vier Sätze: Letztlich sicherte sich Thorsten Flues auch im Doppel den Titel und war mit seinen drei Turniersiegen dadurch der ungekrönte König des Nordhorner Turniers. 

Bei der anschließenden Siegerehrung der elf Hauptrunden und neun Trostrunden hatten Tabea Veldboer und Sandra Slagelambers-Plangemann aus dem Helferteam des SV Vorwärts Nordhorn alle Hände voll zu tun, um die zahlreichen Siegespreise zu überreichen. Am schwersten hatten die fünf Einzelsieger zu schleppen: Der bayerische Künstler Frank
Gebhardt, selbst einer der Teilnehmer im Feld, hatte aus Metallteilen stilisierte Tischtennisschläger gebastelt, die so manchen Siegespokal gewichtsmäßig in den Schatten stellen.


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