Wo die Teilnahme wichtiger ist als der Sieg

Von Hilmar Heinrichmeyer


Thorsten Boomhuis aus Nordhorn und Holger Teppe aus Hessen gewinnen Gold bei der ersten Tischtennis-Parkinson-Weltmeisterschaft in Pleasantville bei New York

Mit vier Platzierungen auf dem Treppchen, darunter zwei Weltmeistertiteln, kehrten die fünf deutschen Teilnehmer von der 1. Tischtennis-Weltmeisterschaft für Parkinson-Erkrankte zurück, die vom 11. bis 13. Oktober in Pleasantville in US-Bundesstaat New York ausgetragen wurde. Für alle fünf war das ein aufregendes und tolles Ereignis mit prägenden Erkenntnissen für ihren weiteren Umgang mit ihrer Erkrankung, denn das sportliche Abschneiden war für nahezu alle Teilnehmer nur ein Nebenaspekt dieser Weltmeisterschaft. Viel wichtiger war das Treffen und der Austausch mit den anderen Teilnehmern während des Turniers und die Aufmerksamkeit, die das Thema „Tischtennis und Parkinson“ durch die WM erfahren hat.

Die ITTF-Foundation ist eine Stiftung der ITTF mit Sitz in Leipzig, die als eines von mehreren Programmen auch „TT 4 Health“ – also „Tischtennis für die Gesundheit“ – in ihrem Programm hat. Im Rahmen dieses Programmes hatte sie im April zur Teilnahme an dieser neuen Weltmeisterschaft aufgerufen. Initiator ist der kroatisch-amerikanische Musiker Nenad Bach gewesen, der selbst auch seit mehreren Jahren an Parkinson leidet. Nachdem er krankheitsbedingt mit dem Gitarre- und Klavierspiel aufhören musste und mehr zufällig mit dem intensiven Tischtennisspielen angefangen hatte, stellte er bei sich im Laufe der Jahre des TT-Spielens eine Besserung der Parkinson-Symptome fest. Das ging so weit, dass er schließlich wieder Gitarre und Klavier spielen konnte. Daraufhin gründete er eine Tischtennis-Gruppe für Parkinson-Erkrankte im Westchester Table Tennis Center in Pleasantville und die Organisation PingPongParkinson, mit der er weltweit auf den Nutzen des TT-Sports gegen die Parkinson-Krankheit aufmerksam macht.

Als einer der ersten entschied sich der 45-jährige Nordhorner Thorsten Boomhuis, der seit frühester Jugend Tischtennis spielt und vor sechs Jahren die Diagnose Parkinson erhalten hatte, frühzeitig zur Teilnahme und überzeugte seine beiden Mitspieler vom SV Vorwärts Nordhorn, Frank Plangemann und Hilmar Heinrichmeyer, ihn als Coaches in die USA zu begleiten, mit denen er schon im Vorjahr in Las Vegas an der Senioren-Weltmeisterschaft teilgenommen hatte. Doch dabei ließ er es nicht bewenden. Mit seiner Homepage „pingpongparkinson.de“ machte er Reklame für die WM und schaffte es, vier weitere deutsche Spieler zur Teilnahme zu ermuntern. Über seine Facebook-Seite „Tischtennis gegen Parkinson“ und seine Kontakte als Geschäftsmann konnte er sogar Sponsoren für die Reise der fünf Deutschen auftreiben, ohne die wahrscheinlich nicht alle fünf an den Start hätten gehen können.

Und damit nicht genug: Er versammelte die fünf Starter und zwei Coaches fünf Wochen vor dem Turnier auch noch zu einem Kennenlernen und gemeinsamen Training in der Halle seines Nordhorner Vereins, dem er viele Jahre als Abteilungsleiter vorangestanden hatte, und organisierte für die „deutsche Parkinson-Nationalmannschaft“ Trikots und Trainingsanzüge. Dabei wurde er auch vom DTTB und dessen Präsidenten Michael Geiger unterstützt, so dass die Nationaltrikots kurz vor dem Abflug in die USA in Frankfurt entgegengenommen werden konnten.

Die auf drei Tage angelegte Weltmeisterschaft wurde mit dem wettkampffreien Freitag begonnen, an dem sich die 61 Starter erstmals im malerischen Pleasantville, eine Autostunde nördlich vom New Yorker Stadtteil Manhattan gelegen, im Westchester Table Tennis Center nicht nur zum Training trafen. Mehrere Neurologen hatten sich eingefunden, um für jeden einzelnen Starter nach ca. 15-minütiger Untersuchung zu entscheiden, wie stark er von der Krankheit betroffen ist und in welche der drei Wettkampfklassen er im Einzel eingestuft werden müsse.

Foto Hilmar Heinrichmeyer: Die fünf deutschen Starter in Pleasantville vor Turnierstart: Andreas Arndt, Jens Greve, Thorsten Boomhuis, Harry Wissler, Holger Teppe

Am Ende des Freitags fand dann die Eröffnung der WM im Beisein von ITTF-Präsident Thomas Weikert, Zoran Primorac, dem Vorsitzenden der ITTF-Athletenkommission, und Leandro Olvech, dem Direktor der ITTF-Foundation, statt, moderiert von Ian Marshall, dem Pressechef der ITTF. Allein schon diese personelle Präsenz zeigt, welch große Bedeutung die ITTF dieser neuen Veranstaltung beimisst. Nicht fehlen durfte natürlich Nenad Bach, der eigentliche Vater dieses Turniers, der nicht nur zur musikalischen Untermalung der Eröffnungsfeier beitrug. Beendet wurde die Veranstaltung mit der öffentlichen Auslosung der Doppelkonkurrenzen der Damen und Herren, wo noch nicht nach Schadensklassen unterteilt wurde.

Am Samstagvormittag starteten dann mit leichter Verspätung die Doppelkonkurrenzen an den acht Wettkampftischen im KO-System über zwei Gewinnsätze. Thorsten Boomhuis/Holger Teppe (TuS 1885 Helsen) hatten in der 1. Runde mit ihren beiden dänischen Konkurrenten genausowenig Probleme wie Andreas Arndt (TS Einfeld) mit seinem US-Partner Jamie Wurzel gegen zwei Schweden. Hier hatte sich Turnierleiter Freddy Almendariz von der ITTF erfreulich kooperativ gezeigt, als er bereit war, im Sinne der beiden Starter Arndt und Wurzel diese im Doppel zusammen spielen zu lassen, nachdem sich erst kurz vorher herausgestellt hatte, dass die Doppelpartner von beiden nicht erschienen waren.

Im Achtelfinale stiegen dann auch Jens Greve (Berlin/vereinslos) und Harry Wissler (TTC Ilbenstadt) ein und hatten gegen eine Paarung aus Schweden keine Probleme, wie sich auch Boomhuis/Teppe problemlos gegen Kyo/Saito (Japan) für das Viertelfinale qualifizierten. Arndt/Wurzel hingegen schieden denkbar knapp mit 10:12 im dritten und entscheidenden Satz gegen Llano/Welling (Kolumbien/USA) aus, die wiederum in der nächsten Runde gegen Boomhuis/Teppe keine Chance hatten, die damit im Halbfinale standen. Dieses verpassten Greve/Wissler deutlich, wobei sie mit den späteren Finalteilnehmern aus den USA Ilya Rozenblat/Namin Kumar allerdings zwei sehr starke Konkurrenten hatten.

Mit zwei klaren 2:0-Erfolgen setzten sich in den Halbfinals dann Rozenblat/Kumar gegen zwei Dänen und Boomhuis/Greve gegen zwei Brasilianer durch, wodurch (leider zum einzigen Mal im Laufe des Turniers) die beiden stärksten Starter, Rozenblat und Greve, mit ihren Partnern im Finale aufeinander trafen. Nach knappem Gewinn des ersten Satzes verloren die beiden Deutschen dann erstmals im Laufe des Turniers einen Satz, ließen sich davon jedoch nicht beeindrucken und erspielten sich durch das 11:5 im Entscheidungssatz den verdienten Weltmeistertitel.

Foto ITTF: Direkt nach den Sieg im Herren-Doppel strahlen Thorsten Boomhuis (SV Vorwärts Nordhorn) und Holger Teppe (TuS 1885 Helsen) in die ITTF-Kamera

Boomhuis erwies sich dabei als der deutlich bessere „zweite Mann“, und am nächsten Tag sollte sich in der Einzel-Endrunde zeigen, dass Rozenblat im Doppel nicht seine beste Form erwischt hatte – was bei Parkinson-Kranken durchaus auch dazugehört.

Auch das Damen-Doppel war zuvor über drei Sätze gegangen, bevor sich die beiden Japanerinnen Asako Katagiri und Yurie Kato nach ihrem knappen Erfolg über Vlatka Dragia/Elisabeth Ildal aus Kroatien und Dänemark als erste Parkinson-Weltmeisterinnen feiern lassen konnten.

 

 

Die deutsche Truppe konnte sich am Samstag nicht lange über den Gewinn des Doppeltitels freuen, denn nach kurzer Unterbrechung folgte bereits die Einzel-Vorrunde in den drei Schadensklassen. Die Gruppeneinteilung durch die Ärzte brachte dann nicht nur für die Deutschen einige Überraschungen zu Tage. Zwar war die Einteilung von Jens Greve in die Klasse 3 (geringste Beeinträchtigung) und von Andreas Arndt und Harry Wissler in die Klasse 1 (stärkste Beeinträchtigung) durchaus erwartet worden, doch dass die beiden Weltmeister Thorsten Boomhuis und Holger Teppe nicht in der Klasse 3 landeten, sondern in den Klassen 2 und 1, konnte genausowenig nachvollzogen werden wie die Einteilung von Ilya Rozenblat (USA) in Klasse 2 und nicht in 3. Holger Teppe versuchte sogar noch von sich aus, sich in eine stärkere Klasse einstufen zu lassen, doch darüber ließen die Organisatoren nicht mit sich reden. Vielleicht lag es auch daran, dass man die 49 Herren unbedingt in drei zahlenmäßig gleichstark besetzte Klassen (16/17/16) einteilen wollte, während die 12 Damen in einer Klasse starten mussten.

In den Dreier- und Vierergruppen schafften es dann alle fünf Deutschen, sich für die Hauptrunde am Sonntag zu qualifizieren. Für die Gruppendritten und –vierten wurde am Sonntag auch noch eine Trostrunde ausgespielt. Holger Teppe wurde erwartungsgemäß Gruppensieger, die anderen vier schafften die Qualifikation als Gruppenzweite. Thorsten Boomhuis traf dabei zum zweiten Mal am Samstag auf Ilya Rozenblat, gegen den er aber nur im ersten Satz beim 10:12 mithalten konnte.

In der Hauptrunde der Klasse 3 stand dann am Sonntag der vereinslose Jens Greve aus Berlin, der erst vor zwei Jahren intensiv mit dem Tischtennissport angefangen hat und mit seiner YUVEDO-Initiative (www.yuvedo.de) auf verschiedene Weise Parkinson-Erkrankten helfen will, gegen den Brasilianer Edmur Mesquita auf verlorenem Posten. Dieser verlor später im Finale in drei Sätzen gegen Hamid Ezzat-Ahmadi (USA).

In Klasse 2 zeigte Thorsten Boomhuis, der durch seine Erkrankung die Schlaghand wechseln musste und nun in der 1. Kreisklasse Ems-Vechte mit links spielt, nach dem leichten Achtelfinalsieg gegen einen Inder im Viertelfinale gegen den Dänen Lars Bo Kaspersen seine stärkste Leistung bei der WM. Beim 12:10, 11:13 und 11:9-Sieg waren viele Ballwechsel hartumkämpft und sehenswert. Ein Spaziergang war dagegen das Halbfinale gegen Kasturi Rangan (USA), bevor er dann im Finale gegen den hohen Favoriten Ilya Rozenblat letztlich chancenlos war. Der gebürtige Russe und seit langem in den USA lebende Rozenblat dürfte eine Spielstärke von über 1800 TTR-Punkten haben und wurde verdienter Einzel-Weltmeister seiner Klasse.

In der Hauptrunde der Klasse 1 für die am stärksten von Parkinson Beeinträchtigten schied der Neumünsteraner Andreas Arndt im Viertelfinale nach hartem Kampf gegen den Japaner Naomichi Saito aus. Holger Teppe aus Bad Arolsen und Harry Wissler aus Friedberg, damit beide aus Hessen, zogen durch letztlich klare Zweisatzsiege ins Halbfinale ein. Hier wurde es für den Bezirksklassenspieler Holger Teppe, der vor seiner Erkrankung in der hessischen Verbandsliga gespielt hatte, im zweiten Satz gegen Naomichi Saito erstmals knapp. Der deutlich ältere Japaner, jeweils im Rollstuhl in die Box gebracht worden, konnte sich am Tisch nur wenig von der Stelle bewegen, beeindruckte aber durch seinen bedingungslosen und erfolgreichen Vorhand-Angriff. Im zweiten Halbfinale bevorzugten auch der Portugiese Damasio Caeiro und Harry Wissler das Angriffsspiel, wobei sich das des Portugiesen letztlich in zwei Sätzen durchsetzte.

Foto Hilmar Heinrichmeyer: Auf seine Initiative geht die Tischtennis-Parkinson-WM zurück: Nenad Bach

Im Finale gewann dann mit Holger Teppe der große Favorit mit 11:7 und 12:10 und holte sich nach dem Doppel- auch noch den Einzeltitel, was keinem anderen Starter in Pleasantville gelang. Der Deutsche avancierte damit zum erfolgreichsten Spieler der 1. Parkinson-Weltmeisterschaft. Aufgrund der Klasseneinteilung war es im Einzel leider nicht zum Aufeinandertreffen von Teppe und Rozenblat gekommen – das wäre ein wirklich toller Abschluss des Turniers gewesen!

 

 

Bei den Damen siegte die hohe Favoritin Margie Alley (USA) in zwei Sätzen gegen die im Doppel erfolgreiche Yurie Kato aus Japan. Damit gingen drei von vier Einzeltiteln in die USA, und nur Holger Teppe hatte diese Serie durchbrechen können.