Tischtennis als Teil der physikalischen Therapie bei Parkinson

 

Zu den wichtigsten Zielen der physikalischen Therapie bei Parkinson gehören die Wiederherstellung, Erhaltung und Förderung der Beweglichkeit, häufig werden aber auch Schmerzfreiheit beziehungsweise -reduktion sowie die Verbesserung der Partizipation und der Selbstständigkeit genannt (Parkinson-Leitlinie DGN, 2016). Die Therapie für Patienten mit Morbus Parkinson muss, auch im Hinblick auf die sehr unterschiedlichen Symptome, interdisziplinär gestaltet sein.

Die Logopädie behandelt die beim idiopatischen Parkinson-Syndrom in aller Regel auftretenden Stimm- und Sprechstörungen sowie etwaige Schluckprobleme.

Die Ergotherapie hat das Ziel, den Patienten, der in seiner alltäglichen Handlungsfähigkeit beschränkt ist, zu stärken. Der Patient soll sich selbst versorgen können und wieder aktiv in seiner gesellschaftlichen Umwelt tätig sein und so seine Lebensqualität zu verbessern.

Die Physiotherapie soll ergänzend für ein aktives Training sorgen, um die Bewegungsstörungen, die die motorischen Kardinalsymptome bei Morbus Parkinson darstellen, zu therapieren.

ßehandlungsziele in der Physiotherapie bei Parkinson sind:

  • Selbstständigkeit und aktive Teilhabe am Leben
  • Förderung und Verbesserung der Beweglichkeit, der Koordination und des Gleichgewichts
  • Regulierung der Muskelspannung
  • Vermeidung von Versteifungen
  • Förderung von Ausdauer, Kraft und Belastbarkeit

Parkinson-Betroffene sollen nicht vorwiegend passiv therapiert werden. Das pro-aktive Tischtennis-Spielen hat einen durchweg positiven Einfluss auf die wichtigsten Behandlungsziele der physikalischen Therapie bei Parkinson.

Selbstständigkeit und aktive Teilhabe am Leben

PPP verfolgt das Ziel, die Personen mit Parkinson langfristig an den Tischtennissport zu binden, sowie die Bildung einer eigenen Gesundheitskompetenz zu fördern, die sich im Idealfall im lebenslangen Sporttreiben äußert. Mit seinem geringen Verletzungsrisiko ist Tischtennis eine körperliche Betätigung für jedermann.[1]

Dieses gilt im besonderen Maße für Menschen, die nie oder lange nicht mehr Sport getrieben haben. Gerade diese Personen mit Parkinson, denen regelmäßig auch die Durchführung eines eigenen Trainingsprogrammes schwer fallen dürfte, sollen vom Nicht-Sportler zum „Therapie-Sportler“ geleitet werden.

Tischtennis verbindet einerseits die sportlichen und gesundheitlichen Aspekte mit dem Spaß am Spiel. Andererseits kann man es nicht alleine spielen. Also kommt man unter Leute, von jedem Alter oder Geschlecht. Man kann sich also unterhalten, muss es aber nicht.

Auch aus psychologischer Sicht gesehen ist Tischtennis damit die perfekte Therapieform für Parkinsonpatienten. Die Ärzte und Wissenschaftler Dr. Tomohiko Sato[2] und Dr. Teruaki Mori[3] stellen in einer Studie fest, dass ein Grund für die signifikante Verbesserung der Symptome durch Tischtennistraining sei, dass „die Patienten sich an der Tischtennis-Therapie erfreut hätten, was bei anderen, eher funktionalen, Therapien nicht der Fall sei. Sie seien motiviert gewesen, aktiv teilzunehmen.“

„There is no doubt, that table tennis increased their will!“

Dr. Tomohiko Sato

Dr. Teruaki Mori

Förderung und Verbesserung der Beweglichkeit, der Koordination und des Gleichgewichts

Tischtennisspielen fördert das, was die Parkinson-Erkrankung den Betroffenen nimmt, die Beweglichkeit. Es beansprucht, vergleichbar mit Aerobic, den Ober- als auch den Unterkörper und bringt dazu, sich auf jede erdenkliche Art und Weise zu bewegen – sich zu drehen, sich tief herunterzubeugen, hoch hinaufzureichen und von einer Seite zur anderen zu drehen.

Zudem werden verschiedene koordinative Fähigkeiten wie die Auge-Hand-Koordination trainiert, da der Ball geschlagen wird, ohne auf den Schläger zu schauen.

Das international anerkannte schwedische Karolinska Institutet kommt in einer Pilotstudie zu dem Ergebnis, dass Tischtennistraining sicher sei, machbar ist und das Potenzial hat, die Gleichgewichtskontrolle und die körperliche Funktion bei Personen mit Parkinson zu verbessern.[4]

Regulierung der Muskelspannung

Bei Parkinson treten zwar keine Lähmungen auf, die Muskelkraft bleibt, zumindest weitgehend, erhalten. Jedoch sind die Muskeln oft, und auch in Ruhe, dauerhaft angespannt. Dieses führt bei den Betroffenen, oftmals im Schulter- und Nackenbereich zu Schmerzen.

Die Regulierung der Muskelspannung dient bei Personen mit Parkinson also vor allem der Schmerzreduktion.

Die in trainierten, fließenden Automatismen ausgeführten Bewegungen, und das Gefühl, nicht darüber nachdenken zu können, sowie die Millimeter, die darüber entscheiden können, ob ein Ball „kommt“ oder nicht – Tischtennis spielt man nicht bewusst, aber man bewegt sich. Tischtennis fördert den Bewegungsstart und die Bewegungsausführung, und Bewegung ist das wohl beste Mittel zur Regulierung der Muskelspannung.

Weiterhin kann die Sicherheit der Bewegungen durch Tischtennis erheblich gebessert werden. Dazu werden Kraft und Dehnbarkeit trainiert. Selbst die Schnelligkeit lässt sich durch Tischtennis positiv beeinflussen.

Und das Spielen im Unterbewusstsein, das „Abschalten“, das Ausblenden psychischer Anspannung und seelischen Stresses, ist ein weiterer nicht zu unterschätzender Faktor, auch für die Muskelentspannung.

Vermeidung von Versteifungen

Hilfreich in der Parkinson-Therapie können sogenannte Cues sein. Dies sind Schlüsselreize wie Klatschen, Takt, Musik oder auch visuelle Cues wie Linien oder Striche.

Die positive Wirkung von Tischtennis bei Parkinson kann so weit gehen, dass das Klicken des Balles als akustischer Stimulus beim Freezing, einem Symptom der Erkrankung, als Startsignal für die Bewegung dienen kann. Der Kontrast des Balles zum Tisch ist zudem besonders geeignet, um visuell zu stimulieren.

Die Universität in Fukuoka (Japan) hat in einer 6-monatigen Studie untersucht, ob Tischtennistraining die motorischen und nicht-motorischen Funktionen von Patienten mit Parkinson verbessert. Die 12 Patienten nahmen 6 Monate lang einmal pro Woche an 5-stündigen Trainingssitzungen teil. Nach 3 und 6 Monaten waren signifikante Verbesserungen festzustellen hinsichtlich:  

  • Sprechen
  • Schreiben
  • Ankleiden
  • Speichel und Sabbern
  • Aufstehen aus dem Bett, dem Auto oder einem tiefen Stuhl
  • Hobbys und andere Aktivitäten
  • Gehen und Gleichgewicht
  • Gesichtsausdruck
  • Haltungsstabilität und Haltung
  • Steifheit
  • Langsamkeit der Bewegung
  • Handzittern[1]

Zu den unerwünschten Ereignissen gehörten Sturz- und Rückenschmerzen bei jeweils einem Patienten.

[1] Kenichi Inoue, Fukuoka University, American Academy of Neurology, February 25, 2020, https://scitechdaily.com/people-with-parkinsons-experienced-significant-improvements-from-playing-ping-pong/

Förderung von Ausdauer, Kraft und Belastbarkeit

Tischtennis ist in Deutschland die erste Spielsportart, die im Namen des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) das Qualitätssiegel SPORT PRO GESUNDHEIT vergeben darf. Das Qualitätssiegel wurde vom DOSB gemeinsam mit der Bundesärztekammer entwickelt. Grundlage hierfür waren zwei Studien des Instituts für Sportwissenschaften der Universität Magdeburg Dieses untersuchte im Jahr 2003 die Wirkung eines gesundheitsorientierten Ausdauertrainings mit Tischtennis. Bei entsprechender Planung und festgelegter Regeln eignen sich Rundlaufvariationen sehr gut für ein Ausdauertraining. Die Möglichkeiten zur Variation der Laufwege bei den Übungsformen ermöglichte den Teilnehmern eine individuelle Steuerung ihres Trainings. Die erzielten Effekte der Untersuchung waren mit den Effekten eines Walkingprogramms vergleichbar.[6]

Zudem beobachten Teilnehmer an dem Trainingsprogramm, dass sich nach einer Tischtennis-Einheit die nachfolgend erforderliche Medikamentendosis reduziert. Dieses liegt mutmaßlich daran, dass L-Dopa als Medikament beim Sport das Gehirn schneller erreicht. Vor dem Hintergrund, dass mit fortschreitender Erkrankung die Wirkungsdauer der heute bekannten Parkinson-Medikamente nachlässt, kann Tischtennis also das Potential haben, die Dauer der Medikamentenwirksamkeit zu verlängern.

“Tischtennis erscheint mir der ideale Sport bei der Parkinsonerkrankung zu sein. Hätte ich diese Erkenntnis früher gehabt, hätte ich Tischtennis bestimmt meinen Parkinsonpatienten empfohlen!“

Dr. med. Rudolf Brodhun,

Facharzt für Neurologie und Psychiatrie

Ehemaliger leitender Arzt der Klinik für Neurologie in Seesen

 

Konzentrationssteigerung und Gedächtnisverbesserung

Tischtennis ist ein Spiel der Konzentration, Strategie und Koordination und trainiert das Konzentrations- und Reaktionsvermögen sowie das Gedächtnis. Man muss sich konzentrieren, um den Ball durch den Raum verfolgen zu können, Spins herausfinden und Schläge und Strategien planen können. Die gefundene Taktik muss erfolgreich ausgeführt werden und dabei sollte man die ganze Zeit ruhig bleiben, um beim Spielen nicht zu nervös zu werden.

Dr. Tomohiko Sato und Dr. Teruaki Mori stellen in der bereits zitierten Studie heraus, dass es eine objektive Feststellung sei, dass durch das Spielen von Tischtennis die Aufmerksamkeit und die Konzentration sowohl gestiegen sei, als auch länger andauere.[7]

Das Training des Gedächtnisses, also der Fähigkeit, Informationen aufzunehmen, zu speichern und bei Bedarf wieder abzurufen, ist ein weiterer positiver Aspekt des Tischtennis.

Tischtennis erfordert einen entwickelten Sinn für Strategien, der dem des Schachspiels ähnlich ist. Das Spiel beginnt lange vor dem ersten Aufschlag.

Die Bewegungen beim Tischtennis sind dadurch geprägt, dass das Spiel, mit zunehmendem Können, schneller wird. Schnelle Bewegungen werden durch die im Recall-Gedächtnis gespeicherten motorischen Programme kontrolliert. Die Bewertung der grundsätzlichen Situation erfolgt hingegen über das Recognition-Gedächtnis, das Parameter für bestimmte Bewegungen speichert. So ist festzustellen, dass Komplexität und Geschwindigkeit der Bewegungen beim Tischtennis zugleich einen geistigen Aufbauprozess fördern und damit Gedächtnistraining sind, da verschiedenen Regionen des Gedächtnisses gleichzeitig angesprochen werden.

Das Model, Tischtennis als Teil der physikalischen Therapie bei Parkinson einzusetzen, basiert auch auf der Eigenart von Synapsen (Verbindungen von Nervenzellen), den Nervenzellen selber oder ganzen Hirnarealen, sich zwecks Optimierung laufender Prozesse nutzungsabhängig in ihrer mikroskopischen Anatomie und Physiologie zu verändern, die sogenannte neuronale Plastizität.

Der US-Amerikanische Neurowissenschaftler und Psychiater Dr. Daniel Amen erklärt, das regelmäßige Bewegung die Hormone im Körper anspricht, die das Gehirn jung halten. Körperliche Aktivitäten erhöhen die Durchblutung des Gehirns und fördern die Zellgesundheit. Dr. Amen bezeichnet Tischtennis als die beste Gehirnsportart. In einem Artikel mit dem Titel “Dummheit und das Gehirn” sagt Dr. Amen: “Golf ist gut. Tennis ist fantastisch. Tischtennis ist der beste Sport der Welt!


[1] Goupil, Capron, Thoreaux, in: inquiry and health risk management in sports, 2020, S. 687-692, https://www.researchgate.net/publication/340824385_Table_Tennis

[2] Department of Neurosurgery, Almeida Memorial Hospital, Oita, Japan

[3] Department of Neurosurgery, Oita Medical University, Japan

[4] K. Olsson, A. Johansson, E. Franzén. A pilot study of the feasibility and effects of table tennis training in Parkinson’s Disease [abstract]. Mov Disord. 2019; 34 (suppl 2). https://www.mdsabstracts.org/abstract/a-pilot-study-of-the-feasibility-and-effects-of-table-tennis-training-in-parkinsons-disease/. Accessed January 19, 2020.

[5] American Academy of Neurology, February 25, 2020, https://scitechdaily.com/people-with-parkinsons-experienced-significant-improvements-from-playing-ping-pong/

[6] Quelle: Markus Söhngen, Sportwissenschaftler und Referent für Lehrarbeit im Tischtennis-Verband Niedersachsen e. V.

[7] Table Tennis helps brain disease patients in their rehabilitation treatment